Dankesworte anlässlich der Verleihung des Internationalen B.A.U.M.-Sonderpreises

Hamburg, 3. September 2019



Ich freue mich heute Abend mit Ihnen die B.A.U.M. Jahrestagung feiern zu können und bedanke mich herzlich für diesen Preis. Ihr Umweltpreis belegt seit zweieinhalb Jahrzehnten mit positiven Beispielen, dass nachhaltiges Wirtschaften funktioniert. Das ist ermutigend. Und natürlich freue ich mich, dass die Themen, für die ich streite, durch den Preis Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren. Gleichzeitig muss ich gestehen, dass ich Ihre Ehrung durchaus auch mit etwas Beklommenheit entgegennehme – denn sie macht mir bewusst, wie groß die Kluft noch ist zwischen dem, was geschehen müsste und dem, was tatsächlich geschieht. Wenn wir uns den gegenwärtigen Rollback ansehen, der viele sicher geglaubte Errungenschaften in der internationalen Politik wieder in Frage stellt, dann muss man sich schon anstrengen, sich die Feierlaune nicht verderben zu lassen.
Wir erleben derzeit weltweit, wie eine demokratische Krise auf eine ökologische Krise prallt – womöglich gesellt sich bald auch eine neue Wirtschaftskrise dazu. Ein schmerzhaft konkretes Symbol dieser Krisen liefern in diesen Wochen die Bilder aus Brasilien, wo der Amazonas brennt, während ein politischer Brandstifter als Präsident das Land herunterwirtschaftet. Und auch bei uns vor der Haustüre ist die Lage nicht unbedingt rosiger: der beherzte Umbau unserer Wirtschaft hin zu einer echten ökologischen-sozialen Marktwirtschaft kommt nicht so recht voran, nicht zuletzt weil die Politik durch die Umbrüche in der Parteienlandschaft viel mit sich selbst beschäftigt ist. Und Europa, das alle Voraussetzungen hätte, die Rolle des globalen Vorreiters einzunehmen, wirkt kopf- und orientierungslos.
Die Krise der Demokratie und die ökologische Krise passieren nicht unabhängig voneinander, sie bedingen und verstärken sich gegenseitig. Angesichts der Komplexität der globalen Herausforderungen und der überwältigenden Geschwindigkeit des technologischen und sozialen Wandels kann man nachvollziehen, dass viele Menschen ein Gefühl der Ohnmacht haben, des Ausgeliefertseins gegenüber Kräften, die weder zu verstehen noch zu beeinflussen sind. Dieses Ohnmachtsgefühl wird in der Politik zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung, zur Selbstlähmung. Das ist für unseren Planeten dramatisch, denn uns geht die Zeit aus, wenn wir irreversible Veränderungen im Ökosystem noch verhindern wollen.
Deshalb braucht es jetzt dringend eine starke Gegenerzählung, die Politik und Menschen als Subjekte politischen Handelns wiederentdeckt. Der Klimawandel zum Beispiel, er bricht nicht einfach über uns herein wie eine biblische Plage, sondern er wird von Menschen gemacht – also kann und muss er auch von Menschen aufgehalten werden! Ich finde es übrigens durchaus erfrischend, dass es vor allem die jungen Leute sind, die uns mit Ideen und Energie, und teilweise auch mit Wut, auf diese simple Tatsache hinweisen.
Diese Wiederentdeckung des Handelns kann übrigens nicht gelingen mit den nationalistisch-autoritären Rezepten, wie sie vielerorts en vogue sind, sondern mit ihrem Gegenteil. Ich will nur einige Ansätze nennen:
1. Wir müssen uns international wieder neuen Handlungsspielraum erkämpfen in neuen Allianzen für Multilateralismus. Das ist möglich. Längst überfällig ist zum Beispiel ein strategischer Schulterschluss Europas mit seinem direkten Nachbarn Afrika. Wir müssen das große Potenzial dieses Kontinents erkennen und nicht immer bloß seine schweren Probleme beschreiben.
2. Wir müssen den kleineren Gliedern unserer politischen Ordnung wieder mehr Handlungsfreiheit geben und deshalb in der Europäischen Union das Subsidiaritätsprinzip konsequent durchsetzen. So kann sich die Offenhaltung und Gestaltung der Globalisierung in neuen lokalen Ankern festigen.
3. Der Staat muss den Mut haben, langfristige Signale für den Markt zu setzen. Und ja, dazu gehört auch ein vernünftiger, funktionierender Preismechanismus für CO2, der die Kosten für Emissionen endlich aus der Zukunft in die Gegenwart holt.
4. Gleichzeitig müssen wir den einzelnen Bürgern, Konsumenten und auch Unternehmen etwas zutrauen – die wichtigsten Antworten in dieser neuen Welt kommen möglicherweise nicht von oben, sondern von unten. Und wir müssen die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auch verstehen als Suchprozess. Da hat niemand fertige Antworten. Aber ich bin überzeugt: wenn möglichst viele sich beteiligen an diesem Suchprozess, kann und wird die große Transformation auch gelingen.
Meine Damen und Herren,
die Demokratie funktioniert nicht linear, sie geht oft zwei Schritte voran und wieder einen Schritt zurück, sie probiert aus und verwirft dann wieder, sie verrennt sich und findet dann wieder ihren Weg. Das ist oft frustrierend und angesichts der drängenden Probleme unserer Zeit auch ziemlich gefährlich. Aber für das menschliche Zusammenleben gibt es eben kein System, das alle Widersprüche auflöst, alle Unebenheiten des Menschseins glättet. Deshalb dürfen wir uns von der Imperfektion unserer Zeit nicht entmutigen lassen. Deshalb müssen wir uns daran erinnern, dass es nicht nur eine Gleichzeitigkeit von Problemen gibt, sondern auch eine Gleichzeitigkeit von Lösungen. Ein Beispiel nur: Als der amerikanische Präsident den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen verkündete, da verpflichtete sich eine breite Koalition amerikanischer Städte und Staaten, die Klimaziele ganz ohne die Hilfe der US-Bundespolitik einhalten zu wollen. Ja, natürlich können wir auch dann schon handeln, wenn wir noch nicht alle Antworten haben, wenn die alles umfassende Lösung noch nicht auf dem Tisch liegt! Es gibt immer einen Schritt, den man vorwärts gehen kann. Das gilt für verschiedene politische Ebenen, das gilt für das Verhältnis von Markt und Staat (da wünschte ich mir mehr Mut), das gilt für jede und jeden Einzelnen von uns. Der Philosoph Karl Popper – Helmut Schmidt hier aus Hamburg war ja ein Fan von ihm, und ich bin es in gewisser Weise auch – hat nicht nur gesagt: „Optimism is duty“, er hat auch gesagt, dass wir vor der Größe der Probleme nicht erstarren sollen, sondern wahrnehmen, wo man was anfangen, anpacken und auch lösen kann. Auch wenn es im ersten Schritt nur ein Teil der Lösung ist.
Für mich ist das die Essenz dessen, was Sie mit B.A.U.M versuchen. Die Unternehmen des Netzwerkes B.A.U.M warten nicht ab, sie gehen voran, sie sind Teil eines Suchprozesses, der über kurz oder lang unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft verändern wird. Dazu gratuliere ich Ihnen und dafür bin ich Ihnen dankbar. Sie zeigen, dass Respekt vor den Grenzen dieses Planeten und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sind, sondern sich immer mehr gegenseitig bedingen. Ich hoffe, dass Sie auch weiterhin vielen Unternehmen Inspiration und Mutmacher für nachhaltiges Wirtschaften sind. Schon Erich Kästner hat’s gewusst: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Herzlichen Dank!