Die Reform des Internationalen Währungssystems – ein Projekt kooperativer Weltwährungspolitik

Eberhard Karls Universität Tübingen, 24. Januar 2011



I. Einleitung

Meine Damen und Herren,

ich freue mich, heute bei Ihnen an meiner Alma Mater in Tübingen zu sein. Hier habe ich meine akademischen, aber auch manche persönliche Wurzeln. Ich habe mir vorgenommen, in Zukunft regelmäßiger hier zu sein und zu versuchen, Erfahrungen, die ich auf meinem Berufsweg gesammelt habe, mit Studentinnen und Studenten zu teilen. Also Ökonomie in der Praxis oder auch politische Ökonomie. Dabei bin ich sicher: es wird auch für mich wieder viel zum Lernen geben.

Die internationale Finanzkrise hat die Weltwirtschaft vor eine Zerreißprobe gestellt, wie wir sie seit der großen Depression in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht kannten. Die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Wirtschaftsnationen haben durch kraftvolle Entscheidungen vergleichbar Schlimmes abwenden können. Und in Deutschland reiben wir uns inzwischen die Augen, weil der Export schon wieder boomt und die Arbeitslosigkeit – entgegen allen Prognosen vor drei Jahren – sinkt. Ist deshalb die Krise überwunden und kann Deutschland getrost in die Zukunft blicken?

Ich rate zur Vorsicht. Zwar haben wir in Deutschland sicherlich Grund zur Erleichterung und auch Genugtuung. Die deutsche Wirtschaft hat große Widerstandskraft bewiesen. Ich führe dies nicht zuletzt auf eine funktionierende Sozialpartnerschaft und auch auf manche reformpolitische Entscheidungen der Bundesregierungen in den letzten zehn Jahren zurück.

Doch für ein Zurücklehnen ist es eindeutig zu früh. Dagegen stehen die sprunghaft gestiegenen Staatsschulden in den meisten westlichen Ländern und noch offene Fragen einer krisenfesten Finanzmarkt- und Bankenregulierung. Das unregulierte Schattenbankenwesen z.B. breitet sich weiter aus.

Dagegen steht auch, dass es bisher kein geordnetes Verfahren gibt, wie mit den massiven strukturellen Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft umzugehen ist. Vor der Krise im Jahr 2007 waren die USA in ihrer außenwirtschaftlichen Leistungsbilanz mit 718 Mrd. US-Dollar im Defizit. Das entsprach 5,1 % des Buttoinlandsprodukts der amerikanischen Volkswirtschaft. China und Deutschland hatten demgegenüber Überschüsse von 372 Mrd. US-Dollar oder 10,6 % des BIP respektive 254 Mrd. US-Dollar oder 7,6 % des BIP. Nach überwiegender Meinung internationaler Ökonomen – und ich teile diese Meinung – begünstigen Ungleichgewichte dieser Größenordnung destabilisierende Kapital- und Wechselkursbewegungen. Sie sind auch mit eine Ursache für die Entstehung eines globalen Finanzsektors, der sich in hohem Maße von der Realwirtschaft abgekoppelt und ein wucherndes Eigenleben entwickelt hat.

Schon im letzten Jahr äußerten viele Schwellenländer auch die Befürchtung, neues „quantitative easing“ (QE II), also die weitere Bereitstellung von billigem Geld durch die amerikanische Notenbank (u.a. Ankauf von staatlichen Schuldenpapieren) könnte in großem Umfang Kapital in ihre Länder schwemmen und ungerechtfertigten Aufwertungsdruck auf ihre Währungen auslösen. Der brasilianische Finanzminister Mantega warnte in diesem Zusammenhang sogar vor einem „Währungskrieg“. Anfang dieses Jahres sahen sich eine Reihe von Schwellenländern veranlasst, Maßnahmen gegen eine neue Flut von Kapitalzuflüssen zu ergreifen. Und in Europa stocken diese Kapitalzuflüsse eher wegen der weiter schwelenden Staatsschuldenkrisen in Euroländern.

Nein, wirkliche Ruhe an der Krisenfront herrscht noch nicht.

Die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Wirtschaftsnationen haben sich bei ihrem Treffen in Toronto im Juni 2010 also mit gutem Grund das Ziel gesetzt, „ein stabileres und widerstandsfähigeres Internationales Währungssystem aufzubauen“. Darüber wie dies geschehen kann, hat sich eine informelle Gruppe von 18 mit geld- und währungspolitischen Fragen vertrauten Personen seit September vergangenen Jahres Gedanken gemacht und einen gemeinsamen Bericht darüber verfasst. Daran habe ich mitgewirkt. Zuletzt haben wir uns Anfang Januar in Paris im Palais Royale, dem Sitz der französischen Notenbank, getroffen. Die Gruppe hat sich deshalb den Namen „Palais-Royale Initiative“ gegeben. Aus praktischen Gründen werde ich im Folgenden dafür aber den Namen „die Gruppe“ verwenden. Der Vorsitzende der Gruppe, Michel Camdessus, hat den Bericht mit dem Titel „Reform of the International Monetary System: A Cooperative Approach for the Twenty First Century“ dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy als dem derzeitigen Vorsitzenden der G20 am vergangenen Freitag, 21. Januar übergeben.

Die Mitglieder unserer Gruppe verband die gemeinsame Einschätzung, dass die Finanzkrise als Chance für eine Reform des internationalen Währungssystems genutzt werden muss. Der Bericht der Gruppe drückt dies so aus: „The crisis heralded, indeed accelerated, a transition to a new world where emerging market economies together play a large role on a par with advanced ones in driving global growth; a world that will be fundamentally multi-polar, and in which global monetary problems must be dealt with cooperatively. The reformed International Monetary System we aspire to is one that preserves the gains of the past sixty- five years, without succumbing to its own instability. It is a system that maintains freedom of trade and current payments and that allows sharing more widely the benefits of financial globalization, appropriately regulated.”

Meine Damen und Herren,

im Folgenden werde ich Ihnen zunächst den wesentlichen Inhalt des Berichts der Gruppe vortragen. Das betrifft zum einen die Gründe für die Notwendigkeit der Reform und zum anderen die möglichen Reformwege. Sie können davon ausgehen, dass die Teilnehmer der Diskussion in manchen Einzelfragen durchaus verschiedener Meinung waren. Dass wir am Ende doch zu einer gemeinsamen Haltung gefunden haben, kann zweierlei verdeutlichen: Erstens: die Reform des Internationalen Währungssystems ist eine dringliche Aufgabe und zweitens: alle Beteiligten stimmten darin überein, dass die Lösung nur in mehr Zusammenarbeit zwischen den Nationen bestehen kann und dass dies auch ein neues, aufgeklärtes Verständnis nationaler Interessen verlangt.

Nach der inhaltlichen Widergabe des Berichts werde ich einige Anmerkungen machen, was dies für die kommenden Jahre für die Politik vor allem Deutschlands, Chinas und Amerikas bedeuten kann. Am Schluss möchte ich einen kurzen Ausblick in die langfristige Zukunft des internationalen Währungssystems wagen. Und noch ein Hinweis: Die Arbeitssprache in der Gruppe war Englisch. Deshalb kann ich Ihnen auch das eine oder andere Mal englische Sentenzen nicht ersparen.

 

II. Zur Notwendigkeit einer Reform des Internationalen Währungssystems

Die Gruppe ist der Ansicht, dass das Krisenmanagement der G20 in den letzten zwei Jahren die schon lange bestehenden strukturellen Schwächen des Internationalen Währungssystems nicht beseitigt hat. Sie sieht vor allem noch die folgenden schwerwiegenden Probleme:

Erstens: Das derzeitige Internationale Währungssystem sorgt nur unzureichend für ökonomische Disziplin.

Das macht sich außenwirtschaftlich daran fest, dass einzelne Länder große Leistungsbilanzungleichgewichte aufbauen können, ohne einem hinreichenden Anpassungsdruck ausgesetzt zu sein. Diese Situation birgt drei Hauptrisiken: (1) es können jederzeit wieder unhaltbare Leistungsbilanzungleichgewichte entstehen, die sich in Krisen entladen, (2) in der Weltwirtschaft baut sich inflationärer Druck auf, wenn zu viele Länder ihr Heil in exzessiver Nachfragestimulierung suchen oder, umgekehrt, (3) steht die Weltwirtschaft zur Unzeit unter Entzug, wenn zu viele Länder gleichzeitig versuchen, Leistungsbilanzüberschüsse zu erwirtschaften.

Zweitens: Das derzeitige Internationale Währungssystem lässt Finanzexzesse und destabilisierende Kapitalbewegungen zu.

Der Krise ging ein nicht haltbares Kreditwachstum voraus. Ungewöhnlich niedrige langfristige Zinsen lösten eine globale Jagd nach Renditen aus und führten, im Verein mit einer unzureichenden Bank- und Finanzaufsicht, zu unrealistisch niedrigen Risikoaufschlägen und zu Vermögenspreisblasen. Die wachsenden Anfälligkeiten blieben unbeachtet, auch weil es keine allgemein anerkannte Definition und Messung von globaler Liquidität gibt.

Die zuletzt beobachteten massiven Umschwünge in den internationalen Kapitalströmen, die teilweise auch die Folge einer unkontrollierten globalen Liquiditätsausweitung sind, können Länder überfordern, ihre makroökonomische und finanzwirtschaftliche Stabilität zu wahren. Und die Fähigkeit einzelner Länder oder internationaler Institutionen mit einer künftigen systemischen Liquiditätskrise umzugehen, ist weiterhin nicht gesichert. Bei plötzlichen Veränderungen in der internationalen Liquidität steht kein globaler „Kreditgeber der letzten Instanz“ (lender of last resort) zur Verfügung, wie auf nationaler Ebene die Zentralbanken.

Drittens: Das Internationale Währungssystem lässt exzessive Wechselkursschwankungen und anhaltende Abweichungen von Fundamentaldaten zu.

Seit dem Übergang auf freie Wechselkurse im Jahr 1973 gab es große Kursschwankungen zwischen den Hauptwährungen, die auch auf starke und unberechenbare Spekulationskräfte zurück gingen und die nicht mit wirtschaftlichen Fundamentaldaten im Einklang standen. Die Wechselkurse haben also nicht ihre Aufgabe erfüllt, Ungleichgewichte abzubauen.

Abweichungen von den Fundamentaldaten können entweder das Ergebnis inadäquater Haushalts-, Geld- und Wechselkurspolitik oder von Markverhalten sein. Das schafft besondere Probleme für kleine, offene Volkswirtschaften. Große und andauernde Schwankungen in den Wechselkursrelationen können ernste Verzerrungen im Währungssystem und in der Ressourcenallokation verursachen.

Viertens: Das derzeitige Internationale Währungssystem lässt den Aufbau gewaltiger, unproduktiver Bestände an Währungsreserven zu.

Weder das Angebot noch die Nachfrage nach Währungsreserven sind bislang Gegenstand international koordinierter Entscheidungen. Das hat verschiedene Nachteile:

  1. Vor allem eine Reihe von Schwellenländern hat Währungsreserven in nie dagewesenem Umfang angesammelt (z.B. als Sicherheitspuffer oder um Aufwertungen der Währung zu begrenzen). Der daraus resultierende große und anhaltende Nettokapitalexport von Schwellenländern hin zu fortgeschrittenen Ländern steht im Widerspruch zu längerfristigen Entwicklungszielen der Schwellenländer.
  2. Die leichte Verfügbarkeit der Finanzierung hat zusätzlich zum Aufbau von finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichten beigetragen, weil notwendige Anpassungen – auch in der nationalen Haushaltspolitik – hinausgeschoben wurden.
  3. Die Reservehaltung konzentrierte sich auf wenige Währungen, vor allem den US-Dollar. Eine gewisse Diversifizierung findet bereits statt, doch es stellt sich die Frage nach einem multilateralen Weg der stärkeren Diversifizierung von Währungsreserven.

Fünftens: dem derzeitigen Internationalen Währungssystem fehlt eine effektive „global governance“.

Tatsächlich gibt es keine ‚Governance’, die sicherstellt, dass wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen, die auf nationaler Ebene getroffen werden, wechselseitig konsistent sind und zu globaler Stabilität beitragen. In einer so eng verflochtenen Welt hängen die ökonomischen Ergebnisse eines jeden Landes signifikant auch von Entwicklungen und politischen Entscheidungen in anderen Ländern ab. Eigentlich sollte der IWF diese „global governance“, die ich hier einmal mit „ globale Handlungs- und Verantwortungsstruktur“ übersetzen will, schaffen. Doch das ist ihm bisher aus verschiedenen Gründen nicht gelungen. Die Einrichtung der G20 als – de facto – neues Hauptforum für die wirtschafts- und finanzpolitische Kooperation zwischen den Staaten hat hier eine erste Abhilfe geschaffen. Die Effektivität und Legitimität dieser Gruppe wäre aber noch zu verbessern, wenn sie für alle Länder in der Weltwirtschaft sprechen wollte.

Meine Damen und Herren,

die beschriebenen Probleme sind nicht neu. Die Gruppe warnt aber davor, sie weiter liegen zu lassen und einer Politik des „muddling through“ zu überlassen. Dies würde die Gefahr neuer, noch größerer Krisen wachsen lassen und die Vorteile internationaler Arbeitsteilung am Ende möglicherweise stark verschütten.

 

III. Wege zur Reform

Auf der Grundlage der vorgetragenen Problemanalyse identifiziert die Gruppe fünf Ansatzpunkte für eine tiefgreifende Reform des Internationalen Währungssystems.

Erster Ansatzpunkt: Eine wirksamere Überwachung der Wirtschafts- und Finanzpolitiken (Surveillance)

Wegen der allgemeinen Interdependenz haben die Wirtschafts- und Finanzpolitiken der einzelnen Länder Auswirkungen auf die globale Stabilität. Deshalb ist eine verstärkte IWF- Surveillance erforderlich. Diese sollte vor allem die Haushaltspolitik, die Geldpolitik und die Finanzpolitik nationaler Regierungen betreffen und der Entwicklung von Wechselkursen und globaler Liquidität besondere Aufmerksamkeit geben. Die Gruppe empfiehlt dafür weitere Reformen beim IWF, vor allem mit den folgenden Elementen:

  1. Formulierung stärkerer multilateraler Verpflichtungen, gestützt auf klare, objektive Normen oder quantitative Benchmarks für die Wirtschafts- und Finanzpolitiken, die als Alarmsignale funktionieren sollen,
  2. Erarbeitung von Bewertungsverfahren, die eine Beurteilung der Ursachen und Implikationen von Verstößen gegen diese Normen ermöglichen, und
  3. Festlegung von Konsequenzen bei Verstößen, sowohl mit Anreizen als auch mit Sanktionen.

Ländern mit größerer Bedeutung für die Stabilität des Internationalen Währungssystem, sollte eine besondere Aufmerksamkeit bei der Überwachung zuteil werden.

Zweiter Ansatzpunkt: Stabile Wechselkurse in Übereinstimmung mit den Fundamentaldaten

Wechselkurse stehen im Zentrum jedes internationalen Währungssystems. Ziel müssen angemessen stabile Wechselkurse sein, die mit den wirtschaftlichen Fundamentaldaten übereinstimmen. Diesbezüglich weist die gegenwärtige Wechselkurslandschaft ganz offensichtlich Spannungen auf.

Instabilität kann von verschiedenen Quellen ausgehen: von inkonsistenten oder nicht nachhaltigen Politiken, die großen und anhaltenden Wechselkursverzerrungen Auftrieb geben, von falschen Wahrnehmungen langfristiger Fundamentaldaten durch Marktakteure und auch von rein spekulativen Aktivitäten. Die Mitglieder des IWF sind nach dem Statut verpflichtet, Wechselkursmanipulationen zu unterlassen und vom IWF wird diesbezüglich eine, „firm Surveillance“ erwartet. Weil dies in der Vergangenheit schlecht funktioniert hat, hält es die Gruppe für notwendig, die Verpflichtungen der Länder spezifischer zu beschreiben, möglicherweise einschließlich des Gebrauchs von Orientierungswerten für makroökonomische Fundamentaldaten, um Verzerrungen identifizieren zu können. Vor allem große Länder haben eine besondere Verantwortung, große und anhaltende Schwankungen ihrer Wechselkurse und deren negative Auswirkungen auf den Rest der Welt abzumildern.

Dritter Ansatzpunkt: Globale Liquiditätsbedingungen für systemische Stabilität

Die globalen Liquiditätsbedingungen werden beeinflusst durch den geldpolitischen Kurs in den großen Ländern, durch Wechselkursvereinbarungen sowie durch Innovationen und das Risikoverhalten des privaten Finanzsektors. Liquidität hat also viele Dimensionen und ist bis zu einem gewissen Grad Ausfluss einer durch Vertrauen oder Furcht bestimmten Bewusstseinslage, die sich rasch verändern kann. Das konnten wir z.B. nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erleben als die zuvor überreichliche globale Liquidität in wenigen Tagen fast völlig austrocknete.

Notwendig ist eine gemeinsame Vorstellung über Begriff und Messung von globaler Liquidität. Und notwendig ist auch eine bessere Überwachung von Entwicklungen, die zu dramatischen Veränderungen in der Liquidität führen können (wie es sich z.B. in Risiko- Spreads widerspiegelt). Dieser Ansatz erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und anderen zuständigen Stellen.

Eine potentielle Konsequenz exzessiver globaler Liquidität sind große und volatile Kapitalströme, die die makroökonomische und finanzielle Stabilität von Ländern akut gefährden können. Die Gruppe hält es deshalb für erforderlich auch über mögliche Kapitalverkehrskontrollen und generelle makroprudentielle Vorkehrungen nachzudenken, die es Ländern ermöglichen, sich wirkungsvoll gegen störende Kapitalzuflüsse (wie –abflüsse) zu schützen. Solche Interventionen müssten allerdings begrenzt und genau qualifiziert sein, damit sie langfristig nicht mehr schaden als nutzen. Die Gruppe regt dazu die Erarbeitung international vereinbarter Leitlinien an. Klar ist, dass der Einsatz von Kapitalverkehrskontrollen zum Aufrechterhalten eines über- oder unterbewerteten Wechselkurses nicht mit einem funktionierenden Internationalen Währungssystems vereinbar ist.

Im Lichte der Erfahrungen der jüngsten Krise empfiehlt die Gruppe auch weitere Schritte, um den IWF mehr einem „lender of last resort“ ähnlich zu machen, ihn also besser in die Lage zu versetzen, in Krisensituationen verlässlich, regelgebunden und mit geeigneten Vorkehrungen gegen moral hazard Liquiditätshilfen bereitzustellen. Dies würde seinen Mitgliedern ein stärkeres finanzielles Sicherheitsnetz zu geringeren Kosten bereitstellen als durch die Anhäufung von Währungsreserven.

Vierter Ansatzpunkt: Die Rolle von Sonderziehungsrechten

Die Gruppe geht davon aus, dass sich das Internationale Währungssystem weiter entwickeln wird, auch im Lichte weiterer Größenverschiebungen zwischen den Volkswirtschaften. In diesem Zusammenhang gibt sie zu bedenken, dass es nützlich sein könnte, die Rolle von „Sonderziehungsrechten“ als ein nicht an eine nationale Volkswirtschaft gebundenes Währungsinstrument „neu zu erkunden“. Tatsächlich wurden Sonderziehungsrechte 1969 zur Unterstützung des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse geschaffen. Sie begründen einen potentiellen Anspruch von IWF-Mitgliedern auf Hartwährungen anderer Mitglieder und haben damit den Charakter einer zusätzlichen Währungsreserve. Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems (und damit der Gold-Bindung des US-Dollar) im Jahr 1973 wurden Sonderziehungsrechte (SZR) im Rahmen eines Währungskorbs – heute US-Dollar, Euro, Yen, Pfund-Sterling – neu bewertet. Der Gebrauch von SZR blieb eng begrenzt und machte vor der Krise nur rund 0,5 % der offiziellen Währungsreserven aus. Doch im Rahmen des jüngsten Krisenmanagements griffen die Staats- und Regierungschefs mit einer „Extrazuteilung“ („exceptional allocation“) in Höhe von 250 Mrd. US-Dollar wieder auf dieses Instrument zurück. Sein Anteil an den offiziellen Währungsreserven beträgt jetzt rund 3,4 % (204 Mrd. SZR entspricht 316 Mrd. US-Dollar). Die Gruppe weist darauf hin, dass die Frage der künftigen Rolle der SZR in der langen Perspektive nicht nur wegen des Statuts des IWF auf dem Tisch bleiben muss. Art. VIII, Sektion 7 verlangt: „… making the special drawing right the principal reserve asset in the international monetary system”. Diese Frage stelle sich auch im Zusammenhang einer möglichen künftigen Nachfrage nach SZR.

Fünfter Ansatzpunkt: Eine neue Governance für das Internationale Währungssystem

Die Gruppe rät dazu, der Reform und dem Funktionieren des Internationalen Währungssystems mehr politische Aufmerksamkeit zu geben. Dazu empfiehlt sie eine dreistufige, integrierte Architektur für eine neue „Governance“:

  • die Staats- und Regierungschefs der G20 treffen sich regelmäßig, aber außer in Krisenzeiten selten (d.h. einmal im Jahr),
  • die Finanzminister und Zentralbankgouverneure treffen die strategischen Entscheidungen für das Funktionieren des Internationalen Währungssystems im Rahmen eines „Rates“ (council), wie es auch im Statut des IWF vorgesehen ist, und
  • die Exekutivdirektoren überwachen die tägliche Arbeit der Institution und ihres geschäftsführenden Direktors.

Alle drei Ebenen sollten eine Vertretung haben, die auf Ländergruppen (constituencies) basiert, ähnlich wie sie schon jetzt im IWF und der Weltbank existiert.

Darüber hinaus empfiehlt die Gruppe die Einrichtung eines Global Advisory Committee (GAC) beim IWF. Dieser besondere Ausschuss soll dem globalen Interesse eine stärkere Stimme geben.

 

IV. Wirtschafts- und finanzpolitische Abstimmung in den kommenden Jahren

Meine Damen und Herren,

die Überlegungen und Vorschläge der Gruppe werden nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Sie entfernen sich teilweise auch von bisherigen deutschen Positionen. Ich bin aber wie auch alle anderen Teilnehmer davon überzeugt, dass die Krise ohne neues Denken und ohne ein neues Verständnis von internationaler Zusammenarbeit nicht nachhaltig überwunden werden kann.

Die für mich wichtigste Zielsetzung eines reformierten Internationalen Währungssystems drückt sich in den folgenden Sätzen des Berichts aus: „It is a system where all countries recognize their stake in global stability and accept that near-term national objectives may, if needed, be constrained by the global interest. International cooperation is, in the long run, a necessary ingredient in the search for national prosperity. This should lead every country to look with a renewed sense of responsibility and discipline to the system as a whole”. Ich will einige Anmerkungen machen, was diese Orientierung nach meiner Einschätzung für die Wirtschafts- und Finanzpolitik Deutschlands, Chinas und der Vereinigten Staaten von Amerika in den kommenden Jahren bedeuten kann.

Deutschland

Die überraschend schnelle und starke Erholung der deutschen Wirtschaft nach dem tiefen Einbruch im Jahr 2009 verlief nach einem fast klassischen Muster unserer Wirtschaftsgeschichte: der Export zieht an, dann folgen zuerst die Investitionen und danach der Konsum. Außerhalb Deutschlands wird dieses Muster teilweise als Teil des heutigen Problems und nicht der Lösung angesehen. Man sagt dort: Wenn alle Länder versuchen, über Exporte und Leistungsbilanzüberschüsse aus der Krise herauszuwachsen, dann kann diese Rechnung für die Weltwirtschaft insgesamt nicht aufgehen.

Wir brauchen uns von dieser zugespitzten Argumentation nicht einschüchtern zu lassen. Unsere Exporterfolge beruhen vor allem auf guten Ingenieurleistungen und industriellen Produkten, die offensichtlich gerade jetzt in der Welt gebraucht werden, vor allem auch in den Schwellenländern. Diese Stärke der deutschen Wirtschaft dürfen wir auf keinen Fall zur Disposition stellen. Doch wahr ist auch, dass der Anteil unserer Exporte am Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2008 schon auf über 47 % angestiegen war, während er in den 80er Jahre noch um die 25 % lag. Ich frage mich, ob wir uns damit nicht schon der Grenze einer zu großen Außenhandelsabhängigkeit nähern; z.B. auch im Lichte von Protektionismusgefahren in einem sich weltweit eher verschärfenden Kampf um Arbeitsplätze.

Professor Hans-Werner Sinn macht uns verdienstvollerweise auf einen anderen Umstand aufmerksam: In den letzten anderthalb Jahrzehnten hatte Deutschland mit 5,3 % die geringste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder (die höchste Quote hatte Korea mit 20 %). Investoren schätzten offensichtlich die Renditen in Deutschland als wenig attraktiv ein und investierten ihr Geld lieber anderswo. Von 2002 bis 2010 flossen nach Berechnungen des Ifo- Instituts zwei Drittel der Gesamtersparnis in Deutschland – insgesamt etwa 1050 Mrd. Euro – ins Ausland. Zu einem guten Teil auch in die Schrottpapiere angelsächsischer Investmentbanken und in unhaltbare Baubooms in Euro-Ländern.

Wir wissen jetzt, dass dies keine guten Anlagen waren. Sinn rechnet deshalb damit, dass die Ersparnis in Deutschland künftig wieder verstärkt im Inland nach Anlage und solider Verzinsung sucht. Und zukunftsorientierten Investitionsbedarf gibt es in Deutschland zuhauf, vor allem für die strategische Umsteuerung auf ein auch ökologisch verbessertes Wirtschaftswachstum sowie im Bereich von Bildung, Forschung und Entwicklung und Pflege. Warum setzen wir uns in Deutschland nicht das Ziel, unsere Nettoinvestitionsquote auf die Hälfte der Quote Koreas zu bringen oder zumindest auf den Durchschnitt der Eurozone (7,9 %)? Die damit verbundene Modernisierung unserer Wirtschaft würde nicht nur der Verbesserung der Lebensqualität in Deutschland dienen, sondern auch das Binnenwachstums stärken. Letzteres fordern andere von uns mit Nachdruck. Ich finde, wir haben ein Eigeninteresse daran, dass sich hier bei uns mehr tut. Und die Hauptansatzpunkte hierfür müssen die Investitionen sein und die Entwicklung neuer Dienstleistungsmärkte. Doch kann nach Jahren stagnierender oder sogar sinkender Reallöhne in Deutschland auch eine angemessene Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufschwung der deutschen Wirtschaft dazu beitragen. Es ist erfreulich, dass viele Unternehmen dies auch schon realisieren. Eine faire Sozialpartnerschaft ist im Wettbewerb der Systeme – vielleicht noch mehr als in der Vergangenheit – ein Pfund für die Zukunft, mit dem wir wuchern sollten.

Ich glaube jedenfalls, die deutsche Politik hat gute Möglichkeiten, sich offensiv auf die bevorstehende Diskussion zum notwendigen strukturellen Anpassungsbedarf in der Weltwirtschaft einzustellen.

China

Die Sparquote Chinas lag im Jahr 2009 bei 36,7 % (USA 2,8 %) und der Konsum trug nur zu 34,6 % zum Bruttoinlandsprodukt bei (USA 69,6 %, Deutschland 58,6 %). Dies und die unterbewertete Währung Chinas signalisieren im Hinblick auf das globale Stabilitätsziel eindeutig Anpassungsbedarf. Nach meinem Eindruck ist dies der chinesischen Führung auch bewusst. Man kann erwarten, dass sie sich nicht länger hinter dem vermeintlichen Status eines Entwicklungslandes versteckt. Man würde die chinesische Politik aber unterschätzen, würde man unterstellen, sie setze immer noch einseitig auf Exportwachstum. Nach eigenen Bekundungen aus chinesischen Führungskreisen versteht man die internationale Finanzkrise sogar als Warnung, die Auslandsnachfrage nicht zur „Achillesverse“ Chinas werden zu lassen. Der neue Fünfjahresplan 2011 – 2015 setzt eindeutig auf ein stärkeres Wachstum der Inlandsnachfrage, nicht zuletzt durch eine bessere Einkommensverteilung und die Unterstützung des ländlichen Raums. Dies kann die Struktur des Wachstums der chinesischen Wirtschaft verändern. Ich gehe davon aus, dass sich die chinesische Führung kooperativen Ansätzen in der Weltwirtschaftspolitik konstruktiv stellen wird.

Vereinigte Staaten von Amerika

Als Ursache für die chronischen Leistungsbilanzdefizite der USA wird in manchen Kreisen eine „globale Ersparnisschwemme“ (global savings glut) angeführt. Das halte ich für irreführend. Die wahren Ursachen sind

  • ein stetiger Rückgang der privaten Sparquote von rd. 10 % Anfang der achtziger Jahre auf nur noch 1 bis 2 % vor der Krise (inzwischen steigt die Quote wieder),
  • ein Anstieg der privaten Verschuldung von 112 % des BIP im Jahr 1976 auf 295 % im Jahr 2008 und eine starke Deindustrialisierung der amerikanischen Wirtschaft: Betrug der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung 1980 noch 33,3 % (Deutschland: 41,1 %), so lag er 2007 nur noch bei 21,8 % (Deutschland: 30,2 %).

Seit den 80er Jahren hatte die amerikanische Regierung eine massive Deregulierung des Bankgeschäfts und der Finanzmärkte vorangetrieben. Das führte zwar zu einer Gewinnexplosion bei Finanzunternehmen. „Der Anteil der Gewinne von Finanzunternehmen an den gesamten Unternehmensgewinnen (nach Steuern) sprang von weniger als 5 Prozent im Jahr 1982 auf 41 Prozent im Jahr 2007“ (Martin Wolf, Financial Times 2008). Gleichzeitig lag aber der Anteil des Sektors Finanzen und Versicherungen an der privaten Gesamtbeschäftigung in den USA im Jahr 2007 nur bei 5 bis 6 Prozent. Auch diese Proportionen deuten auf strukturelle Probleme hin.

Ralf Dahrendorf, bei dem ich hier in Tübingen in den sechziger Jahren noch Vorlesungen besuchte, hat schon vor 25 Jahren zwischen „Pumpkapitalismus“ und „Sparkapitalismus“ unterschieden. Sparkapitalismus heißt dauerhafte Werte schaffen, statt Wetten einzugehen, heißt reale Güter und Dienstleistungen finanzieren, statt virtuelle Finanzpyramiden aufzubauen. Im Sparkapitalismus ist man an einem stabilen Geldwert und soliden öffentlichen Finanzen interessiert und bringt allen Respekt entgegen, die Geld zurücklegen und damit für die Zukunft vorsorgen. Eine Wirtschaft nach diesem Leitbild verfügt auch über eine starke ethische Verankerung. Wirtschaft und Gesellschaft in den USA haben dem Pumpkapitalismus zu viel Raum gelassen. Ohne die Umkehr von diesem Weg wird es keine nachhaltige Stabilität im Internationalen Währungssystem geben.

In jedem Fall können wir uns in Deutschland nicht mehr darauf verlassen, dass die USA in der Weltwirtschaft die Rolle des „consumer of last resort“ spielen.

 

V. Die langfristige Perspektive

Seit dem 2. Weltkrieg bis heute dominiert der US-Dollar das Internationale Währungssystem. Und ausweislich der Verbesserung der Lebensbedingungen für die Mehrzahl der Menschen, ist die Welt und vor allem auch Deutschland damit nicht schlecht gefahren. Ich gehe davon aus, dass der US-Dollar noch lange eine führende Rolle im Internationalen Währungssystem spielen wird. Wahr ist aber auch, dass wir schon jetzt historische Strukturveränderungen in der Weltwirtschaft erkennen können. Nach seriösen Schätzungen wird China die USA bis Mitte des nächsten Jahrzehnts als größte Volkswirtschaft ablösen. Nach Kaufkraftparitäten berechnet, könnte dies sogar schon deutlich früher geschehen. Und um 2050 könnten die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) zusammen rd. 50 % der weltwirtschaftlichen Produktion stellen. Das wird natürlich die Welt und auch das Weltwährungssystem weiter verändern.

Der Euro hatte im Jahr 2010 bereits einen Anteil von 27.2 % an den offiziellen Währungsreserven, der US-Dollar von 61.5 %. Vielleicht wird der Euro nach der Überwindung der jetzigen Krise sogar noch zulegen. Diese Krise ist ja genau genommen keine „Euro-Krise“, sondern eine Staatsschuldenkrise und eine Krise versäumter Strukturreformen in den Euro-Ländern. Sie geht vor allem auf schwerwiegende Versäumnisse der Politik zurück. Wir Deutsche haben uns dabei selber ein Bein gestellt, weil wir nicht nur – zusammen mit den Franzosen – dem Stabilitäts- und Wachstumspakt einen schlimmen Schlag versetzt haben. Wir haben auch selbst zu lange politisch vernachlässigt, dass eine Währungsunion – soll sie stabil und stark bleiben – eine Entwicklungsrichtung nehmen muss, die die innere Kohäsion zwischen ihren Mitgliedern stärkt und nicht verringert (Theorie des optimalen Währungsraums).

Ich halte es für gut, dass die Bundesregierung jetzt die Bereitschaft zur Hilfe für die überschuldeten Euroländer zwingend mit der Forderung nach Strukturreformen sowohl auf der Ebene der Nationalstaaten als auch auf Gemeinschaftsebene verbindet. Das ist ein harter Weg für uns alle. Doch ich denke, es wird sich wieder erweisen, dass vor allem Krisen den Weg in die Zukunft eröffnen.

Der Euro selbst hat die Erwartungen an Geldwertstabilität – auch im Außenwert – eindeutig erfüllt. Die Europäische Zentralbank und ihr Präsident Jean-Claude Trichet, sind ein verlässlicher Fels in der Brandung.

Im vergangenen Jahr hat Presseberichten zufolge erstmals eine Notenbank, die von Malaysia, verlautbart, sie wolle auch den chinesischen Renminbi in ihre Reservehaltung aufnehmen. Und die chinesische Regierung hat sich offensichtlich auch das Ziel einer künftig breiten internationalen Verwendung des Renminbi gesetzt. Sie geht dabei – wie es der Tradition der Öffnungspolitik in China entspricht – nur schrittweise vor, z.B. mit Pilotprojekten zur Handelsabwicklung in Renminbi oder mit der Begebung von Renminbi-Anleihen zunächst nur in Hongkong. Vor zwei Jahren gab es noch keine in Renminbi denominierten internationalen Handelskontrakte. Allein in den letzten sechs Monaten sind solche Kontrakte schon auf etwa 50 Mrd. US-Dollar angewachsen. Auch damit deutet sich das Aufkommen einer möglichen neuen Reservewährung an. Dabei ist klar, dass ökonomische Größe bei weitem nicht die einzige Determinante für den Status einer Währung ist. Wichtige andere Faktoren sind Geldwertstabilität, die Existenz liquider und offener Finanz- und Kapitalmärkte und vor allem die volle Konvertibilität der Währung. Soweit ist der Renminbi noch lange nicht. Die chinesische Führung sollte sich auch diese Reformaufgabe vornehmen.

Ich halte es für möglich und ja, auch für wünschenswert, dass wir – vielleicht schon zu Beginn des nächsten Jahrzehnts – ein multipolares Währungssystem mit den Hauptwährungen US-Dollar, Euro und Renminbi haben. Eine solche Perspektive kann auch eine Entlastung für die Vereinigten Staaten von Amerika sein. So verstehe ich auch Paul Kennedy, den Autor des Klassikers „The Rise and Fall of the Great Powers“ (1987), wenn er sagt: „Sooner or later there is going to be what economists term a ‚convergence’ between Americas’ real punching power in the world (that is, its share of total global product) and its artificially high share of international foreign-exchange denominations“ (International Herald Tribune 2010).

Auch ein solches multipolares System ist nicht frei von Risiken (z.B. wenn es zu abrupten Diversifizierungen von Währungsreserven kommt). Es sollte allerdings zwei entscheidende Schwächen des gegenwärtigen Systems wesentlich abmildern können:

  1. Das sog. Triffin-Dilemma, wonach sich die Geldpolitik eines Leitwährungslandes vorrangig an binnenwirtschaftlichen Zielen ausrichtet und dabei negative Auswirkungen auf die globale Liquidität – Über- oder Unterversorgung – mehr oder weniger in Kauf nimmt und
  2. die Schwierigkeit, notwendige strukturelle Anpassungen im Falle von globalen Leistungsbilanzungleichgewichten ohne Ansehen von Größe und Bedeutung des Landes durchzusetzen (evenhanded approach).

Es war auch der belgische Ökonom Robert Triffin, der schon in den späten sechziger Jahren vorgeschlagen hatte, in der sehr langen Perspektive einen allmählichen Übergang der internationalen Rolle des US-Dollar auf Sonderziehungsrechte des IWF ins Auge zu fassen. Der chinesische Notenbankpräsident, Zhou Xiaochuan, den ich als sehr kompetent kennengelernt habe, hat diesen Gedanken in einem im März 2009 veröffentlichten Aufsatz aufgegriffen. Er schrieb damals: Sonderziehungsrechte seien das „Licht im Tunnel“ bei der Reform des Internationalen Währungssystems. Und ferner: „The crisis again calls for creative reform of the existing international monetary system towards an international reserve currency with a stable value, rule-based issuance and manageable supply, so as to achieve the objective of safeguarding global economic and financial stability. (…) A super-sovereign reserve currency managed by a global institution could be used to both create and control the global liquidity”. Die chinesische Teilnehmerin der Gruppe, Frau Xiaolian Hu, hat diese Vorstellungen in unseren Diskussionen noch einmal weiter präzisiert. Manche Fragen sind dabei offen geblieben, aber ich halte die chinesischen Überlegungen für wert, ernsthaft geprüft zu werden.

 

VI. Die in einem Boot sitzen, sollen sich helfen

Ich bewerte sie jenseits des währungspolitischen Pro und Contra auch als Angebot einer aufsteigenden neuen Weltmacht sich aktiv in multilaterale Handlungs- und Verantwortungsstrukturen einzubringen. Es sollte als Chance für eine kooperative Weltpolitik im 21. Jahrhundert genutzt werden. Dabei kommt es auf Vertrauen an und die Bereitschaft aller, sich entsprechend der eigenen Möglichkeiten für die gemeinsamen Ziele einzusetzen. Man kann es auch so sagen: „Die in einem Boot sitzen, sollen sich helfen“. Das ist übrigens das Motto der Tongji-Universität in Schanghai. Sie wurde im Jahr 1907 mit dem aktiven Engagement des deutschen Arztes Erich Paulun gegründet. Es wäre auch ein gutes Motto für die Zukunft des Internationalen Währungssystems.